McLaren Roadtrip

guido

Unterwegs im McLaren 570S Spider, 650 Spider, 720S und dem MP 4-12C.

Und plötzlich hast du wieder so einen Tag, auf den du dich freuen kannst! Nämlich genau dann, wenn du in deinem Email-Postfach eine Einladung von McLaren findest, in der du zu einem Roadtrip von Frankfurt nach Düsseldorf eingeladen bist.

Roadtrip bedeutet bei den Briten, dass du die Möglichkeit bekommst, einige der herrlichen Fahrzeuge der Sportwagenmanufaktur aus Woking in England zu fahren, zu testen und zu genießen. Auf einer facettenreichen Strecke von Frankfurt bis nach Düsseldorf. Auf der Autobahn, über Land, auf Geraden und in Kurven.

Doch bevor der Fahrspaß ins Rollen kommt, steht erst ein obligatorisches Briefing an, mit Infos rund um das Unternehmen McLaren Automotive und sein Fahrzeugportfolio. Dazu dient einer der Konferenzräume des wunderschönen und noblen Hotels „Villa Kennedy“ in Frankfurt. Frank Steffling, seines Zeichens der McLaren-Pressemann für den deutschprachigen Raum hat für diesen Tag ein perfektes Roadbook mit einem ab- wechslungsreichen Streckenprogramm aufgelegt.

In diesem Fall stehen für 5 Journalisten 5 Fahrzeuge zur Verfügung: aus der aktuellen Sportsserie ein 570 S Spider, aus der 2. Generation der Superserie zwei brandneue 720 S sowie deren Vorgänger, der 650 Spider. Und als das Non plus Ultra der „Job One“, der erste von McLaren Automotive 2011 produzierte MP 4-12C mit der Fahrgestell-Nummer 00001. Im Grunde ein Fahrzeug, das ins firmeneigene Museum gehört und doch dürfen wir die Ikone auf unserer Tour ausgiebig fahren.

Wer mit den Modellbezeichnungen nicht vertraut ist, hier einige Daten und Fakten: Die Zahl spiegelt im Grunde genommen immer die Leistung des Modells wider, ein 570 S Spider hat demzufolge 570 PS, ein 650 Spider 650 und der 720 S runde 720 muntere Pferdchen unter der Heckhaube. Lediglich der MP4-12C fällt da mit seiner Nomenklatur etwas aus der Rolle, aber auch er ist mit 625 PS ausreichend motorisiert. Die Motorbasis ist bei allen McLaren gleich. Für den immensen Vorschub sorgt ein 3.8 Liter V8-Biturbo, der in den neuesten Modellen ab 720 S eine Hubraumerweiterung auf 4 Liter erfahren durfte. In Fahrleistungen ausgedrückt bedeutet das: der 570 beschleunigt in 3.2 Sekunden auf 100 und in 9.6 auf 200 km/h bis hin zu einer Vmax von 328 Stundenkilometer. Das ist schon beeindruckend, dabei legt der 650 noch eine Schippe drauf. Er absolviert den Sprint in 3.0 Sekunden auf 100 und ist 5.4 Sekunden später auf 200. Bei Tempo 333 ist der Vortrieb dann vorbei. Einfach irre, aber noch lange nicht alles…

Richtig extrem gibt sich der neue 720 S, wobei er, so unglaublich es klingt, voll und ganz alltagstauglich ist, im Grunde ein Sportler für jeden Tag, mit Platz im Cockpit selbst für groß gewachsene und nicht so zierliche Piloten wie mich. Seine 720 PS entfesseln einen regelrechten Orkan. 2,9 Sekunden auf 100 sind bereits furchteinflößend, aber 7,8 auf 200 demonstrieren seine Kraft erst richtig. Doch damit nicht genug. Die 300 km/h fallen nach einer 21,4 Sekunden währenden Beschleunigungsorgie! Erst bei 341 Sachen ist Feierabend.

Mit diesem ganzen Hintergrundwissen geht es ab in die vor dem Hoteleingang wartenden Spielmobile. Schon wie diese Boliden da auf einen lauern verursacht eine Gänsehaut, die sich von den Fußsohlen bis zum Scheitel zieht. Gib einem Baby eine Rassel in die Hand und schau in sein strahlendes Gesicht. Ein Blick in die Runde und der Vergleich passt.

Wer nun mit welchem Modell die erste Etappe von Frankfurt Richtung Bad Ems genießen kann, bedarf keiner Diskussion, irgendwie hat jeder schon seinen Favoriten auf dem Schirm.

„Job One“ zieht mich magisch an, dieser Erstgeborene aus den heiligen Hallen in Woking lässt mich vor dem Einsteigen in Erfurcht erstarren und verlangt mir anschließend alles ab, um unauffällig und elegant auf der rechten Fahrerseite ins Cockpit zu gleiten. Kurz und gut, das klappt nicht so, wie ich es mir wünsche, meine Einstiegstechnik harmoniert nicht so mit der erforderlichen Sitzposition, Pedalerie und Lenkrad. Und wohl auch mein Körperbau. Aber was muss, das muss und nach einigen Minuten Verrenken und Verzerren sitze ich endlich drin. Punkt. Das war entscheidend. McLaren-Mann Frank macht da schon eine routinierte Figur, als er links neben mir Platz nimmt. Was doch ein paar Kilo weniger Gewicht ausmachen.

Job One

So, Sitzposition gefunden, alles so angenehm wie möglich eingestellt und mit zittriger Hand den Startknopf gedrückt. Nein, das ist nicht Parkinson, das ist die tierische Vorfreude auf den Sound, der mich erwartet. Acht Zylinder erwachen hinter mir zum Leben, es wird schlagartig wieder eng im Schalensitz. Denn die Gänsehaut beansprucht jede Menge Platz.

Erster Gang, behutsam aufs Gas und schön sachte runter vom Hotelhof. „Job One“ bedeutet auch, dass Frank und ich die Pace vorgeben und die Kolonne anführen. Mit angepasstem Tempo und Kribbeln im rechten Fuß geht es raus aus Frankfurt auf die A3 und die A66. Zum erstenmal darf der 3.8-Liter-Biturbo hinter mir ungezügelt durchatmen. Das 7-Gang-Doppel- kupplungsgetriebe von OC Oerlikon kommt kaum mit dem Schalten nach, gut, dass es über die sogenannte „Pre-Cog“-Funktion verfügt, bei der der Fahrer den nächsten Gang vorwählen kann. Die Schaltwippen lassen sich hierzu mit geringer Kraft vorspannen. Dies ermöglicht schnellere Gangwechsel. Bäm, Bäm, Bäm, der Vordrang nimmt kein Ende, 100, 150, 200, 250 und…

Und dann kommt doch tatsächlich eine 130er Begrenzung. Pedalwechsel. Der 6-Punktgurt verhindert, dass ich mit der Stirn aufs Alcantara-Lenkrad knalle.
Halleluja, was für eine Verzögerung! Kurzer Blick nach links, das breite Grinsen von Frank zieht sich von der Seitenscheibe bis zu meiner linken Schulter. Gut, das ist nicht meine erste Tour in einem McLaren und doch überrascht einen jedesmal wieder diese unglaubliche Perfomance was Vortrieb und Negativbeschleunigung angeht. Hätte ich nicht diese peinlichen Probleme beim Ein- und Aussteigen, ich würde auf den nächsten Autobahnrastplatz fahren, aussteigen und diesem silberen Erstgeboren mit einer Ein-Mann-LaOlá rund ums Fahrzeug huldigen.

Aber wie gut, dass sich eine schöne und ebenso befriedigende Alternative dazu anbietet, in Form einer herrlichen Strecke abseits der Autobahn. Die B260, die sogenannte Bäderstraße durch den Taunus, vorbei an Schlangenbad und Nassau bis hin nach Bad Ems. Strahlender Sonnenschein, eine wunderschöne Natur und Kurve auf Kurve machen jeden Kilometer zu einem Erlebnis.

Der Big-Mäc zeigt jetzt seine Cruiser-Fähigkeiten, es muss nicht immer volle Power sein. Das können sie einfach, die Briten. Diese ausgewogene Balance zwischen kompromisslos sportlichem Fahren und Alltagstauglichkeit fasziniert genauso wie das ganze Erscheinungsbild dieser Boliden.

Kurzer Stopp in Nassau, eine Runde Erfrischung für alle, Autos durchgezählt, ein bisschen Erfahrungsaustausch untereinander und ne Runde automobile Reise nach Jerusalem gespielt. Zack, nächster Platz heißt 720S. Die Gänsehaut wird chronisch. Diesmal fahre ich alleine. Frank bleibt als Copilot im Job One, der Rest hat ebenfalls seine neuen Lieblingsspielzeuge auserkoren.

Der 720S hat wie alle Fahrzeuge an diesem Tag eine englische Zulassung, aber die Lenkung dort, wo sie bei uns hingehört, links. Das erfordert etwas weniger Konzentration beim Spurhalten, und erhöht im Gegenzug den Fahrspaß. Und der liegt hier auf einem ganz neuen Level.

Ausnahmsweise überlässt man mir nun Platz Eins im Rudel und ich leite uns zum nächsten Highlight. Dieses hört auf den Namen „Malbergtunnel“, und führt über eine Länge von 1,6 Kilometer aus Bad Ems heraus. Vor der Tunneleinfahrt sammeln wir uns an der roten Ampel, fünf McLaren, 40 Zylinder, 10 Turbos, 10 Schwarzenegger-Unterarm-dicke Auspuffrohre. Dazu fünf Dirigenten. Das rollende London Symphony Orchestra on Tour. Die Ampel zeigt Grün, langsam führe ich uns in die Dunkelheit des Tunnels. Vor mir alles frei, bis auf den Hinweis „50“. Verdammt, habe ich nicht gesehen. Kickdown. Der 720S wird entfesselt. Ich habe das Gefühl, hinter mir trifft eine Explosion eine Implosion. Dieses metallisch, brutal dumpfe, mit steigender Drehzahl immer schriller werdende akustische Inferno lässt meinen Adrenalinpegel hochschnellen wie die Drehzahlanzeige in den roten Bereich. Klar, die Fenster sind unten, die volle Dröhnung knallt wie eine Flipperkugel zwischen den Tunnelwänden hin und her. Und nun das ganze noch mal Fünf. Denn hinter mir spielt sich das gleiche Szenario ab. An dieser Stelle ein dickes Lob an die Erbauer des Tunnels. Nirgendwo beginnt es zu bröckeln, die Kacheln an den Wänden bleiben dran und selbst die schummerige Deckenbeleuchtung kommt nicht zum Flackern. Da! Ein Licht am Ende des Tunnels! Für die meisten Menschen ist dies symbolisch ja etwas Positives. In unserem Fall leider nicht. Denn für uns bedeutet es das Ende der akustischen Orgie.

Mit sinkender Drehzahl und Herzfrequenz peilen wir nun unser nächste Ziel an. Über Koblenz auf die A48 und ein Stück A61 in Richtung Köln, sieht der Etappenplan das Brauhaus in Mendig als kulinarischen Zwischenstopp vor. Also runter von der Autobahn und parken auf den Roadtrip-Parkplätzen vorm herrlichen Biergarten der Vulkanbrauerei.

Lecker zünftiges Essen, autofahrergerechte Getränke und ein erneutes Fachsimpeln untereinander, aber auch mit den neugierigen zahlreichen anderen Gästen, verkürzt die Zeit bis zur Schlussetappe nach Düsseldorf. Einfach jetzt weiter auf der A61 nach Düsseldorf zu fahren wäre doch etwas zu monoton. Franks Strecke sieht eine Route durch die Eifel bis nach Blankenheim vor, und anschließend freies Fahren mit den Geschossen über die A1 ins Zielgebiet am Rhein.

Noch einmal heißt es untereinander Fahrzeuge tauschen, doch inzwischen hat, so glaube ich, jeder seinen Favoriten auserkoren. Meiner bleibt der 720S in Lila-Metallic. Für den Rest der Tour werde ich ihn mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Denn als Topmodell in der Superserie hat er einiges mehr auf dem Kasten als die schon extrem feinen 570er. Wie in jedem McLaren-Modell, kann auch hier der Fahrer seine individuelle Perfomance einstellen. Fahrwerk, Ansprechverhalten Motor, Lenkung und Sound obliegen seinen Vorgaben. Ich bin bis jetzt fast nur im Sportmodus gefahren, der ist für den Alltag perfekt. Der Trackmodus hingegen läßt wahrlich die Sau raus. Die erste Änderung findet hinter dem Lenkrad statt. Schaut man bisher auf ein verhältnismäßig normales Monitordisplay mit allen relevanten Informationen wie Geschwindigkeit, Drehzahl, Kilometer, Reichweite, Tank und Reifenluftdruck- und Temperaturen, so wendet sich das Blatt im sprichwörtlichen Sinne. Der Monitor fährt ein Stück aus seiner Halterung, kippt um 90 Grad nach unten, fährt wieder ein und gibt den Blick frei auf ein ganz schmales Display mit den nötigsten Informationen. Ganganzeige, Drehzahl, Verkehrsschilderkennung und Tempo. Das ist alles. Mehr braucht man auch auf der Rennstrecke nicht, mal abgesehen von den Verkehrsschildhinweisen.

Das adaptive Fahrwerk packt noch einen Härtegrad drauf, die Lenkung reagiert auf Millimeterbefehle und der Sound, ja der Sound, auch der darf wieder demonstrieren, wozu er fähig ist. Ich nehme mir jetzt die A1 vor, Frank übernimmt die Führung im MP 4-12C.

Kaum taucht das erste „Tempolimit-Ende“-Schild auf, gibt Frank im „Job One“ Gas. Ich lasse ihm einen kleinen Vorsprung, die zweispurige Autobahn ist frei, Tempo 100, Großhirn an Gasfuß: „FEUER FREI!“. Ich schaue kurz vor mich, blicke wieder auf den Tacho, wo kommen denn die 230 so plötzlich her, nochmal ungläubig vergewissert, 280. In Sekundenbruchteilen, so kommt es mir vor. Die Tempoanzeige marschiert in Zwanziger-Schritten nach oben. Runter vom Gas, sonst zieht es mich durch den vor mir fahrenden, ebenfalls nicht gerade langsamen Mc von Frank.


Alter Schwede, sorry, Brite, das nenn ich Vortrieb. Das sprichwörtliche Gummiband käme hier gut zum Zuge, oder der Vergleich mit einem Katapult. Oder erinnert sich noch jemand an den Traktorstrahl vom Todesstern in Star Wars? So zog mich der „Job One“ vor mir an. Das ist doch nicht normal, was die Mannen da nördlich von London geschaffen haben. Jetzt hab ich ausnahmsweise mal keine Gänsehaut, jetzt habe ich einen Krampf. Im Gesicht. Rechts und links in den Mundwinkeln. Vom Grinsen. Ich befürchte, das bleibt einige Zeit und ich komme als Joker für den nächste Batman-Film ins Gespräch.

Meine Begeisterung für den 720er nimmt keine Ende, mit welch stoischer Ruhe diese 1.196 mm flache Flunder auf der Straße liegt. Selbst die Befürchtung, das Fahrwerk würde für nachhaltende Rückenschmerzen und ein gestauchtes Steißbein sorgen erweisen sich als vollkommen unbegründet.

Weiter geht´s mit moderaten 240 Sachen, ja, moderat. Denn die kommen dir nicht so verdammt schnell vor, wenn du glücklicherweise keinen Verkehr vor dir hast. Ich checke mal kurz den Durchschnittsverbrauch. 17,8 Liter. Junge, die haste dir auch redlich verdient. Bei Usain Bolt sagt auch keiner was, wenn er sich im Anschluss an einen 200m-Sprint 3 Liter Iso in den Hals schüttet. Wer so rennt, darf sich was genehmigen. Und dem 720S nimmt keiner einen Tropfen übel, wobei man erwähnen sollte, wer mit dem Teil normal fährt, der kommt auch mit knapp über 10 Liter aus. Er ist einfach in jeder Hinsicht ein Extrem. Das beginnt schon beim Preis. Rund 250.000 Euro sind eine Menge Schotter, aber, zieht man zum Vergleich sein Pendant aus Zuffenhausen, den neuen 911 GT2 RS in Betracht, so ist der nochmals 35.000 Euro teurer. Auch wenn Porsche den GT2 RS als schnellsten je gebauten 911er deklariert, fahrerisch und dynamisch ist der 720S die Messlatte. Kein Supersportwagen in dieser Preis- und Leistungsklasse, kann aktuell dem 720S das Wasser reichen. Er ist das automobile Superlativ unter den Superlativen. Extrem in jeder Hinsicht, aber vor allem, was den Fahrspaß angeht.



Zurück auf die Straße, vor uns taucht Düsseldorf auf. Jetzt schon? Oh Mann, wir sind doch erst seit 8 Stunden unterwegs. Traurigkeit beschleicht mich, gleich diesen Wagen vor dem Hyatt abzustellen und ihn seinem ungewissen Schicksal als Pressefahrzeug zu überlassen. Bei mir zuhause ginge es ihm sicherlich deutlich besser. In der kühlen Garage ein Dach über dem Dach, dazu bekäm er jeden Tag seine Streicheleinheiten, genug zu trinken und regelmäßigen Auslauf. Im Gegenzug hätte ich ein chronisches Grinsen im Gesicht, ganz zu schweigen von der Gänsehaut.

Doch nun heißt es Abschied nehmen, ein wahnsinnig toller und rasanter Tag geht zu Ende. Alles hat gepasst, das Wetter, die Straßenverhältnisse und vor allem die ganze Truppe, denen es genauso ergeht wie mir. Von McLaren infiziert und keine Heilung in Aussicht. Zum Glück.

Bericht: Guido Strauss/Fotos: Nico Strauss/Guido Strauss

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