Der Letzte seiner Art
Mit dem Continental GT fuhr die britische Edelmarke Anfang der 2000er aus der wirtschaftlichen Krise. Nun geht das aktuelle Modell auf seine letzte Fahrt. Und mit ihm sein brachialer 4-Liter V8. Doch Generation IV läßt nicht lange auf sich warten…
105 Jahre – seit 1919 – baut die britische Edelmarke bereits ihre außergewöhnlich luxuriösen und eleganten Fahrzeuge. Über ein Jahrhundert voller Highlights, Ups and Downs, Krisen und Erfolge. Mit dem Continental GT schuf man 2003 nicht nur ein extrem luxuriöses Auto, sondern auch einen edlen Retter. VW-Firmenpatriarch Ferdinand Piech gab den Briten 1998 drei Zahlen für die Zukunft vor: 4, 500 und 10.000. Vier Jahre Zeit um ein Fahrzeug mit Zukunft zu entwickeln, ein Budget von 500 Millionen Pfund und eine angestrebte Gesamtproduktionszahl von 10.000 Fahrzeugen pro Jahr. Ursprünlich schwebte Piech eine neue Luxuslimousine vor, doch die Briten hatten ein anderes Fahrzeugsegment ins Auge gefaßt. Einen sportlichen Granturismo, der fahrdynamisch einem Porsche 911 das Wasser reichen konnte, den Luxus einer Mercedes S-Klasse aufbieten sollte und mit einem Preis ab 110.000 Pfund gut und gerne 50% unter dem damaligen Standardpreis eines Bentleys lag.
Das Ergebnis – der Continental – sicherte Bentley letztendlich das Überleben. Über 100.000 Exemplare wurden bis dato verkauft und die Engländer können von sich behaupten, das Segment des luxuriösen Grand Tourer wiederbelebt zu haben.
Nun rollen im britischen Crewe die letzten Exemplare der 3. Generation auf die Straßen der Welt, nicht ohne dem geschmeidigen Coupé noch eine zusätzliche Exklusivität mitzugeben.
“Curated by Mulliner” – frei übersetzt soviel wie “Künstlerische Arbeit von Mulliner”, der Bentley-Abteilung für die ganz besonders edlen Ausstattungsvarianten – heißen die fünf Interieurpakete. Sie spiegeln die starke Nachfrage der Kunden nach einer individuellen Gestaltung des Continental GT wider und stellen eine einmalige Chance dar, Bentleys ultimativem Sportcoupé eine persönliche Note zu verleihen.
Alle Stylingpakete sind für jede Modellvariante des Continental GT V8 und des Continental GTC V8 erhältlich – einschließlich des auf Komfort ausgerichteten Azure und des leistungsorientierten S. Die Kunden können das jeweils ausgewählte Stylingpaket für das Interieur mit einem farblich passenden Stylingpaket für das Exterieur ergänzen.
Im Falle unseres Testwagens nennt sich die Farbauswahl “Key Lime” und setzt ihre dynamischen und doch dezente Farbakzente sowohl im Inneraum wie auch außen im Front- und Heckbereich sowie an den Außenspiegeln.
Ja, mit dieser Variante heißt es Abschied nehmen vom erfolgreichen GT, ein Abschied, der ebenso das Antriebsaggregat betrifft. Wie die restliche Autowelt, kommen auch die Engländer an einer Elektrifizierung ihrer Modellpalette nicht vorbei.
Der erfolgreiche 4-Liter V8 Biturbo geht nun also in den Ruhestand. Mit 404 kW/550 PS treibt er den letzten seiner Art in 4 Sekunden auf 100 km/h und findet erst bei 318 Sachen sein Ende. Das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe gibt dabei die 770 Nm Drehmoment direkt an alle vier Räder weiter.
Fahrerisch war der Continental GT schon immer eine Offenbarung. Wirkten die ersten Generationen bereits im Stand schnell, gelang es bei Generation 3 dem Coupé einen optisch noch dynamischeren Auftritt zu verschaffen. Und dabei seine unverwechselbare Eleganz beizubehalten.
Nimmt man das erste Mal in der Fahrerlounge Platz ist das Gefühl von Gänsehaut kaum vermeidbar. Die Kunst, in einem Fahrzeuginnenraum Luxus und Sportlichkeit so perfekt zu kombinieren, das schaffen nur die Wenigsten. Die filigranen Schalter und Hebelchen, die klassischen Uhren, der Duft des Leders, das von Hand zusammengebaute und mit Leder vernähte Lenkrad, der Schaltknauf mit den limettenfarbenen Akzenten, alles liegt perfekt in der Hand. Die Sitze sind eine Wohltat, die Massageoptionen lassen einen den Chiropraktiker seines Vertrauens in keinster Weise vermissen.
Mit Drücken des Startknopfes erwacht der V8 zum Leben, im Standardmodus “Bentley” noch zurückhaltend und nachbarschaftsfreundlich. Aber er macht bereits mit einem leisen Grummeln auf sich aufmerksam…
Fahrmodus “Sport” läßt dann die Großkatze aus dem Sack. Gaspedal durchgetreten und der Schwarze Panther schießt mit Gebrüll nach vorne. Mit einem Schub, bei dem einem das Gefühl sagt, die Werksangabe für den 100er Sprint in vier Sekunden ist Tiefstapelei.
Dank seines permanenten, aber variablen Allradantriebes zieht es den Fahrer lieber auf kurvige Strecken als auf Autobahnen um höchsten Fahrspaß zu genießen. Geradeaus kann schließlich jeder. In den komfortableren Fahrmodi kommen bis zu 38 Prozent des Drehmoments vorne an, 62 Prozent hinten. Das ist ein Verhältnis von einem Drittel zu zwei Drittel. Wer die Kraft der 550 PS allerdings voll ausreizen will, der schaltet auf Sport: Dann verschiebt die Elektronik mit 83 Prozent fast die ganze Power nach hinten.
Ebenso beeindruckend ist die Negativbeschleunigung, denn auch hier lässt sich der Bentley nichts vormachen: trotz seiner knapp 2,2 Tonnen Gewicht und seinen XL-Ausmaßen werden die Fliehkräfte bemerkenswert gut im Zaum gehalten. Da wankt fast nichts in den Kurven, die Karosserie nickt höchstens dann ein bisschen, wenn man in die Eisen steigt, um den Koloss aus Crewe schnell zum Stillstand zu bringen. Beim Bremsen sollte man in der Tat nicht zu zimperlich sein, denn der Weg kann lang sein bis sich die 2,2 Tonnen nicht mehr bewegen. Obwohl, rund 35 Meter bei Tempo 100, rund 140 Meter bei 200 sind durchaus gute Werte für so einen Boliden. Bei allen Gefühlen, die einen umschleichen, dominiert jedoch das von Sicherheit.
Da war doch noch was? Ach ja, der Verbrauch. Für uns Ottonormalfahrer sicher relevant, für den Besitzer eines Continental GT eher zweitrangig. Bei unserer Langstreckentour von Hamburg nach Andernach genügte die 90 Liter Tankfüllung für die 550 km. Zügiges Vorankommen und tempofreie Autobahnetappen vorrausgesetzt. Nach Adam Riese macht das 16,3 Liter Durchschnittsverbrauch. Unter normalen Fahrbedingungen sind sogar Werte um die 11 Liter realisierbar. Auch wenn nun einige grüne Weltverbesserer den Zeigefinger heben, der Bursche hat sich jeden Schluck redlich verdient.
Nun, die Produktion dieser Continental Generation ist ausgelaufen, die Bänder in Crewe transportieren bereits seinen Nachfolger. Trotzdem kommt man nicht drum herum, über das Finanzielle zu sprechen. Der Grundpreis beträgt 259.100 Euro. Addiert man noch ein paar Extras und die Mulliner-Accessoires dazu, kommt man auf über 330.000 Euro. Für solch ein handgefertigtes Kunstwerk auf Räder sicherlich gerechtfertigt.
Hubraum | 3.996 cm³ |
Motorbauart | V8-Biturbo |
Antrieb/Getriebe | Allrad/D8 |
Nennleistung | 404 kW / 550 PS |
Drehmoment | 770 Nm ab 1.500 Umin |
Länge/Breite/Höhe | 4,85/1,96/1,41 m |
Leergewicht | 2.165 kg |
0 – 100 km/h | 4,0 Sekunden |
Normverbrauch | 12 Liter Super Plus |
CO₂-Emission | 275 g/km |
Preis ab | 259.100,00 € |
Preis Testwagen | ca. 330.000,00 € |