Aus California wurde Portofino. Ferrari huldigt bei der Namensgebung dem weltberühmten kleinen Fischerdörfchen an der Riviera und bringt die italienische Lebensfreude mit einem bärenstarken V8 und sinnlichen Formen für gutbetuchte Frischluftliebhaber auf die Straße.
Bei dem Namen Portofino fällt einem auf Anhieb das träumerische Fischerdorf ein, gelegen an der italienischen Riviera südöstlich von Genua. Auf zwei km2 leben etwa 400 Einheimische, die jedes Jahr unzählige Touristen und Promis mit italienischen Leckereien versorgen.
Nicht von ungefähr wählte man wohl bei Ferrari diesen historischen Ortsnamen für den Nachfolger des California T. Auch das Cabriolet aus Maranello ist traumhaft schön und steckt voller technischer Leckereien. Angefangen bei dem 3.9-Liter BiTurbo-V8 unter der schier endlosen Fronthaube mit seinen 441 kW/600 PS. Damit schafft es der Portofino in 3,5 Sekunden aus dem Stand auf die 100 und über 320 km/h Spitze. Währenddessen schnalzt das 7-Gang-F1-DKG-Getriebe herrlich durch die Gangebenen, ähnlich wie ein Gourmet beim Genuß einer Pizza á la Mama. Mit verantwortlich für den deftigen Vortrieb ist u.a. auch das brachiale Drehmoment von 760 Nm, das zwischen 3.000 – 5.250/min anliegt. Frontmotor und Heckantrieb, damit ist Fahrspaß garantiert, sofern man kontrolliertes Übersteuern bevorzugt.
Bereits im Stand wirkt der 1,30 m flache Italiener schnell: Scharf geschnittene Linien, schmale LED-Schlitze mit Raubtier-Blick, eine Wespentaille, die das Heck mit den enormen 285er-Reifen betont: So präsentiert sich der Portofino zur Testfahrt.
Im Lastenheft der Ferrari-Designabteilung hatte man vermutlich an erster Stelle stehen, dass der 2+2-Sitzer sowohl geschlossen als Coupé als auch offen als Cabrio wie aus einem Guss wirken soll – ein Grund dafür, dass wieder ein faltbares Hardtop statt eines klassischen Stoffdaches zum Einsatz kam. Dank diesem wirkt der Portofino auch geschlossen stimmig mit durchgehenden Linien und nicht wie ein Cabrio mit aufgesetztem Hardtop.
Für Genußmenschen geht es im Inneren weiter. Typisch Ferrari das Interieur: Beim Öffnen der Türen schlägt den Insassen der kräftige Duft des Leders entgegen, das fast den gesamten Innenraum dominiert. Ohne eigenes Aroma, doch dafür ein Augenschmaus prägt Carbon die markanten Bereiche zwischen den Lederabsätzen. Am Cockpit, in der Konsole, teilweise am Lenkradkranz: Überall schimmert das hochwertige, zum Teil allerdings optionale Leichtbau-Material.
Vorne lassen sich die Passagiere in konturierte, aber nicht zu übertrieben enge Sitze nieder. Hinten finden zwei Bambini zumindest über kurze Strecken ausreichend Platz: Schließlich bewirbt Ferrari den Portofino ausdrücklich auch als Alltags-Sportwagen. Alternativ lässt sich der Fond als Gepäckraum nutzen, inklusive Durchlade-Möglichkeit vom 292 Liter fassenden Kofferraum aus.
Von den analogen Instrumenten ist, wie inzwischen bei allen Ferrari-Modellen, lediglich noch der dominante, zentral platzierte Drehzahlmesser übrig geblieben. Rechts und links daneben informieren rechteckige Displays über alle erdenklichen Daten von G-Force bis zu Navi-Anweisungen. Und als kleines Gimmick darf auch der Beifahrer über ein eigenes, schmales Display vor sich an den Fahrinformationen teilhaben.
Formel 1-Feeling kommt auf, sobald man sich mit dem kompakten, handlichen Lenkrad befaßt. Es erinnert ein wenig mit seinen vielen Schaltern – unter ihnen das ferrari-typische „Manettino“ aus Aluminium zur Wahl des Fahrmodus – an die Königsklasse des Motorsports. Links unten sitzt auch der ferrarirote Startknopf, der den V8 weckt. Ein kurzes Aufbrüllen, dann pendelt sich der V8 unter der Fronthaube brabbelnd auf Leerlaufdrehzahl ein.
Die Fahrt, die dann folgt, gehört zweifellos zu den höchsten Genüssen automobilen Lebens. Egal, ob das Manettino auf Sport oder Comfort geklickt ist: Das Triebwerk reagiert spontan auf jeden Befehl des Gasfußes – wenn auch, verglichen mit früheren Saugmotoren, mit minimaler Verzögerung. Doch dank der Kraft der zwei Herzen, sprich der Turbolader entwickelt der V8 bei nahezu jeder Drehzahl enormen Druck, beschleunigt brachial – untermalt von der typisch italienischen Klangkulisse: Erst kräftig brüllend, mit steigender Drehzahl lautstark trompetend. Anders als andere Sportwagen-Hersteller bemüht man sich in Maranello auch nicht, den Sound auf Saugmotor umzuschminken. Das heisere Kreischen, das früher an der Drehzahlgrenze die Ohren betäubte, ist damit Geschichte. Ferrari schlägt sozusagen neue, nicht minder berauschende Töne an.
Das Doppelkupplungs-Getriebe findet im Automatikmodus ohne spürbare Schaltpause und zuverlässig den passenden der sieben Gängen. Natürlich kann der Fahrer per feststehender Schaltpaddel die Gangstufe selbst wählen, aber zwingend notwendig ist das im Alltagsverkehr nicht wirklich. Das perfekte Fahrwerk unterstützt die schnelle Fahrt mit sportlich-straffer, aber nicht übertrieben harter Abstimmung.
In präziser Harmonie mit der direkten Lenkung verschlingt das Cabrio-Coupé wie auf Schienen eine Kurve nach der anderen. In dieser Hinsicht ist der Heckantrieb, die konsequente Trennung von Kraftfluss und Lenkung, einfach unübertroffen.
Beim Abrufen der kompletten Leistung gerät das Prinzip aber auch an seine Grenzen. Dann bricht das Heck beim Beschleunigen aus. Die Bordelektronik lässt, speziell im Modus Sport, den Fahrer an der langen Leine und die Schleuderbremse ESC erst spät eingreifen.
Als geschlossenes Coupé vermittelt der Viersitzer tatsächlich feinstes Sportwagen-Feeling; nachdem sich das Dach auf Knopfdruck über dem Gepäckraum zusammengefaltet hat (was bis Tempo 40 möglich ist), mutiert der Portofino zum waschechten Spider. Offener kann ein Frischluft-Erlebnis nicht sein. Trotz des faltbaren Hardtops sitzt die Frontscheibe relativ weit vorne und lässt bei abgesenkten Seitenscheiben spidermäßige Luftwirel auf die Insassen einprasseln. Bei hochgefahrenen Fenstern und dem manuell installierten Windschott strömt 30 Prozent weniger Luftmasse in den Innenraum als beim Vorgänger – was bei Frischluftfanatikern natürlich Geschmackssache sein kann.
Zum Einstiegspreis von 189.704 Euro erhalten Ferraristi wie nicht anders zu erwarten einen emotionalen Sportwagen mit hohen Alltagsqualitäten. Darin ist er seinem direkten Konkurrenten, dem Porsche 911 Turbo S Cabriolet, durchaus ähnlich – auch wenn der Italiener schon optisch deutlich spektakulärer daherkommt als der Schwabe. Der ist, unter anderem wohl wegen seines Allradantriebes, sogar teurer als der 20 PS stärkere Ferrari. Der widerrum mit seiner Bauart bedingten Variabilät als Cabriolet und Coupé sogar zwei Autos in einem bietet. Wem die Serienausstattung nicht genügt, der kann bei Ferraris „Tailor Made“-Abteilung sein Fahrzeug noch um zahlreiche optische Highlights individualisieren lassen, sei es mit exotischen Lederapplikationen oder sogar der eigenen Farbe, die dann garantiert in der Mischung kein zweites Mal zum Einsatz kommt und den Namen des Kunden trägt .
Fazit: der Ferrari Portofino ist der derzeit preiswerteste Einstiegstraumwagen aus Maranello. Doch das „Schnäppchen“ verzichtet deswegen nicht auf das, was einen Ferrari ausmacht. Sportlichkeit, betörendes Design, atemberaubende Fahrleistungen, einen Klang zum Niederknien und eben diese Motorsportgene, die jedem dieser Vollblutpferde aus der Provinz Modena seit Generationen in die Wiege gelegt werden.
Bericht/Fotos: Guido Strauss